DEUTSCH-DÄNISCHER SCHULTERSCHLUSS
vom 9. Dezember 2016
Aus der Redaktion des Flensburger Tageblatts
Energiestammtisch: Aktive beiderseits der Grenze wollen den Anfang für ein regionales Tankstellennetz machen
Moderne Mobilität ohne fossilen Sprit: Reinhard Christiansen plant eine mobile Tankstelle für Brennstoffzellenautos mit Wasserstoff.
„Foto: (c) Willi Schewski“.
Sie wollen nicht mehr und nicht weniger, als Flensburg zur Hauptstadt der neuen Energien machen. Seit fünf Jahren kämpft der Verein Erneuerbare Energie & Speicher (EES) mit seinen knapp 80 Mitgliedern in der Region für den Durchbruch der grünen Wasserstoffwirtschaft. Was diese Region dafür prädestiniert? Neben Flensburg mit seinem beispiellosen Fernwärmenetz die Tatsache, dass Windstrom vor allem von der Westküste und der Geest für Millionen und Abermillionen Euro nicht den Weg in die Netze findet: Insgesamt 500 Millionen Euro würden so ungenutzt verschenkt, erklärte Vorstand Johnny Mahnke am Mittwochabend in Flensburg, wo rund 60 Aktive und Interessierte zum Sonder-Energiestammtisch gekommen waren. „Schleswig-Holstein verbrennt jeden Tag 20 000 Euro an der Westküste“, hatte Ingo Dewaldt von der Norddeutschen Eisenbahngesellschaft (NEG Niebüll) bereits beim November-Treffen gewettert. Dewaldt, der die Linie Niebüll-Dagebüll betreibt, würde gerne die ersten Triebzüge mit Wasserstoff nach Nordfriesland holen: „Hier ist es so, dass uns der Strom aus den Ohren quillt“. In Niedersachsen fahren solche Züge bereits.
Mittwochabend hatten die Wasserstofffreunde in Flensburg Besuch aus Sonderburg. Uffe Borup hat mit seiner Firma NEL (North Elektro-Lyse/Herning) bereits zehn Tankstellen zwischen Kopenhagen und Esbjerg in Betrieb. Wenn er aus Herning, wo der Elektrolyseur-Hersteller 2017 eine neue Zentrale einweiht, nach Berlin fährt, müsse er in Hamburg immer abfahren, um in der City Wasserstoff zu tanken, erzählte der Däne. Wenn die Grenzregion die erste Tankstelle hätte, wäre dieser zeitraubende Umweg nicht mehr notwendig. Horup hofft, dass sich die Wasserstoff-Technologie zuallererst bei Bussen durchsetzt. London mit seinem Pool von 9000 Bussen wolle aufgrund der Schadstoffbelastung keinen Diesel mehr. Borup berichtet, wie er mit dem H2-Bus lautlos durch London gerollt ist: „Die Überproduktion von Energie kann man mit Wasserstoff sehr gut zusammenbringen“, findet Uffe Borup. Was der Wasserstoff-Mobilität fehlt, ist allerdings die Masse. In ganz Dänemark fahren derzeit 70 Autos, nächstes Jahr sollen es 200 sein und 2018 rund 500. So richtig viel zu tanken gibt es da also noch nicht.
Der neue EES-Vorsitzende Peter Helms hofft, dass auch in und um Flensburg bald die ersten zehn Wasserstoffautos rollen. Wenn aus dem Kreis der Wasserstofffreunde zehn Wagen abgenommen würden, sinke nicht nur der Stückpreis unter 40 000 Euro – zugleich würde der Hersteller der Flensburger Region eine Tankstelle spendieren. Als idealen Tankstellenstandort sähen die EES-Aktiven am ehesten den Scandinavien-Park in der Nähe zu Dänemark und zur A7. Aber auch Pattburg nördlich der Grenze oder die Stadtwerke im Flensburger Norden seien vorstellbar. Wobei Wasserstofftanken nördlich der deutsch-dänischen Grenze einen großen Vorteil hätte: Mit einer Zapfsäule in Pattburg würden die komplizierten deutschen Bestimmungen umgangen. „Der Anfang muss gemacht werden. Hier oben brauchen wir eine Tankstelle“, verlangte EES-Vorstand Helms.
„Foto: (c) Willi Schewski“.
Womöglich steht die erste Säule bald aber etwas weit südwestlich auf Handewitter Gemeindegebiet. Bürgerwindpark-Betreiber Reinhard Christiansen und sein Projekt „Energie des Nordens“ haben in dieser Woche den Förderbescheid für das Vorhaben bekommen, das Windstrom zur Gastankstelle bringen soll. In Haurup in den kommenden beiden Jahren eine mobile Tankstelle entstehen. „Die Wasserstoffbranche sollte gebündelt Autos kaufen“, sagte Christiansens Projektleiter. Der Standort Haurup sei gewählt worden, weil man den produzierten Wasserstoff zunächst direkt in die große Nord-Süd-Gasleitung ein speisen will.
Ein Runder Tisch könnte die Interessen bündeln. Ein Bürgerwindpark-Vertreter aus dem Lübcke-Koog wies daraufhin, dass man mit dem ungenutzten grünen Strom aus Schleswig-Holstein 200 000 Autos antreiben könne: „Was wir bisher machen, ist absoluter Wahnsinn.“
Nun hoffen die Aktivisten auf eine Wasserstoffpolitik. Flensburgs künftige Oberbürgermeisterin Simone Lange haben sie bereits auf ihrer Seite: „Ob diese Technik oder Batterie – Konkurrenz belebt das Geschäft“, sagt sie, seit langem Vereinsmitglied. Sie liebäugelt bereits mit einem Wasserstoff-Dienstwagen