Bericht zum EES e.V. Energiestammtisch vom 15.03.2023; Solarenergie in Flensburg und Umgebung, Teil 3

Liebe Mitglieder und Freunde des EES e.V.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die freigegebenen Vorträge der sehr interessanten Vortragsveranstaltung vom 15.03.2023 zum Thema Bürgerenergie und Mieterstrom haben wir in unserem Downloadbereich eingestellt.

Bürgerenergie steht für eine erneuerbare und auf dezentrale Strukturen ausgerichtete Energiewende, die demokratischen, sozialen und ökologischen Werten entspricht.

Ein Teilaspekt der Bürgerenergie sind Mieterstromprojekte. Als Mieterstromvertrag wird ein Vertrag zur Lieferung von Strom bezeichnet, der direkt zwischen Ihnen als Mieterstrom-Nutzerin oder -Nutzer und dem Anlagenbetreiber oder einem Dritten (falls die Anlage nach dem 1. Januar 2021 in Betrieb genommen wurde) als Mieterstromlieferant abgeschlossen werden kann. Anlagenbetreiber kann Ihr Vermieter (z. B. eine Einzelperson oder Genossenschaft), aber auch ein spezieller Mieterstrom-Dienstleister sein [Bundesnetzagentur].

Trotz Vereinfachung der Bedingungen für den Betrieb ist insbesondere die Abrechnung des Mieterstroms immer noch sehr kompliziert und aufwendig. Die Umsetzung eines erfolgreichen Mieterstromprojektes gelingt am besten mit einem lokalen Stromanbieter wie kommunalen Energieversorgern.

Die Stadt Kassel verfügt über ein gut einsehbares Solarkatastaster. Für alle Bürger der Stadt, die keine eigene Solaranlage installieren können oder keinen Zugang zu Mieterstrom haben, bieten die Städtische Werke mit dem PV-Crowdfunding „Sonnen Team“ die Energiewende für alle an.

Stromkunden der Städtischen Werke in Kassel können Teil des Sonnen-Teams werden und Beträge von 500€ bis 5000 € für 5 Jahre anlegen. 1,5 % Zinsen und Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energien ist der Ertrag. Nach 5 Jahren wird die Einlage zurückgezahlt. Ein erstes 1. Projekt ist die 750 kWpeak Anlage auf dem Dach der Kasseler Verkehrsbetriebe (KVB).

Die Stadt Schweinfurt verfügt neben einem kommunalen Energieversorger über eine Städtische Wohnungsbaugesellschaft. Die beiden städtischen Unternehmen, die SWG – Stadt- und Wohnbau GmbH Schweinfurt und die Stadtwerke Schweinfurt GmbH, bringen das Thema „Mieterstrom“ weiter voran. Der Mieterstrom wird lokal produziert, gespeichert und verbraucht. Die PV-Anlage auf dem Dach sowie die bestehenden BHKW liefern den Strom, der direkt den Mietern der städtischen Wohnungsbaugesellschaft zur Verfügung gestellt wird. Der hauseigene Stromspeicher speichert den Sonnenstrom und gibt diesen an die Mieter weiter. Schwankungen zwischen Stromverbrauch und Energieerzeugung werden durch das Stromnetz ausgeglichen Die Bewohnerinnen und Bewohner können sich in Schweinfurt direkt mit der Sonnenenergie beliefern lassen. Die Stadtwerke Schweinfurt bieten hierfür den Sondertarif SWzuhause an. Aktuell sind Mieterstrom-Projekte für 79 Wohneinheiten realisiert.

Die Stadtwerke Schweinfurt bieten darüber hinaus auch Lösungen für Eigenheimbesitzer als Pachtlösung aus einer Hand an. Von S über M bis L – so einfach kann die Umsetzung für den Endkunden sein.

Eine weitere Lösung für Mieterstromprojekte bietet die Firma Pionierkraft an. Die Mieterstrom-Lösung mit PIONIERKRAFT ist ab der ersten Partei profitabel und führt zu stark reduzierten Strompreisen für Mieter und Vermieter.

Eine innovative Hardware teilt Energie direkt innerhalb eines Gebäudes ohne die Nutzung des öffentlichen Netzes und spart somit teure Netzentgelte sowie die Stromsteuer und die Mehrwertsteuer. Der Allgemeinstrom wird durch günstige Solarenergie vom eigenen Dach ersetzt und auch die Mieter werden mit der hauseigenen Solarenergie beliefert. Im Vergleich zu Mieterstrom besteht keine Versorgerpflicht als Zusatzstromlieferant. Die Investitionssicherheit kann erhöht werden, wenn die Nutzung des Photovoltaik-Stroms im Mietvertrag verankert ist. Das ist aber eine rechtliche Grauzone. Eine Anwendung mit PIONIERKRAFT für eine Solaranlage in einem Mehrfamilienhaus in der Region (Heide) funktioniert sehr gut.

Im Anhang des Vortrages sind die Vereinfachungen für den Betrieb von PV-Anlagen beigefügt.

Vortrag Dr. Heinrich Dräger, EES e.V.: Bürgerenergie und Mieterstrom.

 

Die Wohnungsgenossenschaft FAB (Flensburger Arbeiter Bauverein) besteht seit 1878 und hat einen Bestand von 2489 eigenen Wohnungen. Der FAB ist in Flensburg Vorreiter bei Mieterstromprojekten. Bei Gebäudesanierungen mit Gerüststellung werden in der Regel auch PV- Anlagen auf Dächern und Fassaden installiert. Von 2019 bis 2022 wurden insgesamt 25 PV Anlagen mit einer Leistung von 390 kWpeak installiert. Die PV Anlagen liefern 350.000 kWh Strom im Jahr (2022) und versorgen 155 Wohneinheiten mit Solarstrom. Im Jahr 2022 war bisher der stärkste Zuwachs mit 9 PV-Anlagen mit einer Nennleistung von 143 kWpeak.

Da die rechtlichen Hürden für Mieterstrom sehr hoch sind und die Anforderungen für die Abrechnung des Mieterstroms sehr komplex sind, hat sich der FAB für eine Kooperation mit den Stadtwerken Flensburg GmbH entschieden. Bisher wurde der Stromverbrauch über elektronische Zähler gemessen und der PV-Strom direkt den Mietern zugeordnet. Neu ist eine Vereinfachung für die Abrechnung: Die indirekte Verteilung über das Verhältnis von PV-Strom zu Gesamtverbrauch (keine direkte Zuordnung des PV-Stroms auf den Mieter).

Für die mit Mieterstrom versorgten Mieter des FAB ergeben sich folgende Vorteile: Die Preisstruktur ist Immer 10% günstiger als der Grundversorgungstarif der Stadtwerke. Der bezogene Reststrom ist Ökostrom. Die Teilnahme an dem Mieterstrom ist freiwillig. Ein Wechsel des Anbieters ist möglich.

Balkonkraftwerke sind für Mieter nach Genehmigung und nach technischen Vorgaben des FAB erlaubt.

Beim Aufbau von Ladestationen für die E-Mobilität steht der FAB noch am Anfang. Für den eigenen Fuhrpark von E- und Hybridfahrzeugen wurden 6 Ladestationen errichtet. Einige Garagen verfügen über verstärkte 220 V Steckdosen und 4 Stellplatzanlagen sind mit Leerrohren vorgerüstet. Ab 2022 sind im Neubau alle Stellplätze für Ladestationen vorbereitet. Es besteht zur Zeit nur eine geringe Nachfrage der Mieter nach Ladestation – Das Henne – Ei-Dilemma. Bei der Planung und Installation Von Ladestationen sind viele Vorschriften zu beachten.

Die Planung von Ladestationen erfolgt in mehreren Stufen. Wichtige Vorarbeiten sind:

  • Hausanschlüsse auf mögliche Kapazitäten mit den Stadtwerken prüfen.
  • Stellplatzkataster mit der Lage geeigneter Stellplätze erarbeiten für

– vermietete Stellplätze und

– allgemeine Stellplätze

  • Die Art der Nutzung planen

– direkte Zuordnung (1-Platz-1 Auto-1Ladepunkt)

– Offene Nutzung zur Optimierung der Auslastung

  • Konzept für den Betrieb der Ladestation festlegen
  • Betrieb der Ladeinfrastruktur durch Mieter
  • Betrieb der Ladeinfrastruktur durch Vermieter
  • Vollständiger Fremdbetrieb durch Dienstleister (Gestattung)
  • Kombination von Lösungen (z.B. nur für Abrechnung)
  • Kosten kalkulieren für

– den Tiefbau

– die Erweiterung der Hausanschlüsse

– die Ladeinfrastruktur und das Lastmanagement sowie

– die Abrechnungskonzepte und Dienstleister für den Betrieb

Eine Beispielkalkulation für 10 Stellplätze eines Bestandsgebäudes mit 10 Ladestationen zeigt wie teuer das Errichten der Ladestationen ist. Die Kosten summieren sich auf fast 67.000,00 €. Pro Stellplatz sind das 6.700,00 € Investitionskosten. Die monatliche Miete eines Stellplatzes von 25 € erhöht sich durch die Investition einer Ladestation um 45 € und kostet dann zwischen 70 und 80 € zuzüglich Strom, Abrechnungsdienstleistungen und Wartung.

Ein Einzelstellplatz mit Ladestation ist für viele Mieter zu teuer. Der Preis der Ladestation bewegt sich im Bereich eines gebrauchten Kleinwagens und die monatlichen Mietkosten für die Ladestation im Bereich einer Tankfüllung für einen Kleinwagen ohne dass die Batterie des Fahrzeugs bereits aufgeladen ist.

Vortrag Andreas Mundt, Vorstand FAB: Mieterstrom und E-Mobilität beim FAB

 

Die Anzahl der neu installierten PV-Anlagen ist in Flensburg seit 2020 wieder sprunghaft angestiegen. Von 2020 bis 2022 sind 636 neue Anlagen aufgebaut worden. Ende 2022 betrug die Nennleistung der Anlagen bis 100 kW Einspeiseleistung 10362 kWpeak, die der Anlagen über 100 kW bis 2 MW Einspeiseleistung betrug 16296 kW peak. In Summe haben die Erzeugeranlagen unter 2 MW – überwiegend PV Anlagen eine Nennleistung von 26659 kW = 26,659 MW.

Die Erzeugerleistung der Großanlagen über 2 MW, das sind die GuD-Kraftwerke der Stadtwerke – beträgt 276,146 MW.

Eine Simulation des Netzgebietes mit der Annahme von einer PV-Anlage auf jedem 6 Haus mit einer Nennleistung von 10 kWpeak und einer Ladestation an jedem 3. Haus mit einer Leistung von 11kW ergibt für den Winter und den Sommer keine gravierenden Netzengpässe. Noch ist das Stromnetz ausreichend aber die Zielplanung für das Jahr 2030 hat bereits begonnen.

Das Solarkataster in Flensburg weist 1 Mio qm Dachflächen aus, die für Solaranlagen geeinet sind. Diese Fläche entspricht einem Potential von 150 MWpeak. Die Tücke steckt aber im Detail: Das Alter der Dächer bzw. der Gebäude wird nicht berücksichtigt und angezeigt. Ein Dach sollte eine Restlebensdauer von 20 Jahren haben, um eine Solaranlage zu installieren. Das Solarkataster wird nicht nachgepflegt. Dachflächen mit Solaranlagen sind nicht eingepflegt. Dies gilt auch für nicht geeignete Dachflächen, wo aus statischen Gründen keine PV-Anlagen installiert werden können (62.800 qm Dachfläche auf dem Gebäude einer Spedition in der Husumer Strasse, 2 x ergebnislos mit je 8000 kWpeak beplant). Das Fazit der Stadtwerke zum Solarkataster Flensburg lautet: Das Solarkataster ist zwar interessant, hat aber wenig Aussagekraft über das reale Gesamtpotential

Herr Feustel zeigt beispielhaft für das 1. Quartal 2022, wie der hoch die Anteile Erneuerbarer Energien bei der Energieerzeugung sind und wie sich der Verbrauch verhält. Es gibt Tage, wo der der Windstrom oder der Solarstrom einen erheblichen Anteil des Verbrauches deckt. An wenigen Tagen wo nicht genügend Wind- und Solarstrom zur Verfügung steht (Dunkelflaute), würde auch die 10 fache installierte Leistung regenerativer Energien den Bedarf nicht decken können. Daher sind Energiespeicher für die Energiewende von sehr großer Bedeutung.

Der Solarverlauf im Flensburger PLZ Gebiet bildet eine Glockenkurve mit geringen Erträgen im Winter und hohen Erträgen im Sommer sowie mäßigen Erträgen im Frühjahr und im Herbst. Erneuerbare Energien können umso besser genutzt werden, je mehr der Verbrauch an die Erzeugung angepasst ist. Dies wird am Beispiel eines Haushaltes mit einer maximalen Entnahme von 4,5 kW und einer 7 kWpeak PV Anlage für verschiedene Jahreszeiten aufgezeigt. Das Fazit lautet: Verbrauchsverhalten an die tägliche PV-Produktion anpassen! Oder die PV-Tagesproduktion speichern und abends / nachts verbrauchen.

Abschließend stellt Herr Feustel das Informationsportal der Stadtwerke Flensburg GmbH zum Thema Solarenergie vor. Mit dem Anwendungsprogramm Quickplan können einfach die Objektdaten für ein Solarprojekt erfasst werden und eine Solaranlage in unterschiedlichen Detailierungsstufen geplant werden. Oder einfach nur eine Kontaktanfrage gestellt werden. Die Daten der Kontaktanfrage und die Planungsdaten werden über einen lokalen Großhändler von Solarpaneelen an Handwerksbetriebe in der Region weitergeleitet.

Das Thema E-Mobilität wird ebenfalls von den Stadtwerken Flensburg GmbH stark unterstützt. Der Bestand an E-Fahrzeugen wächst in den letzten Jahren stark an, bis Oktober 2022 waren 840.654 E-Fahrzeuge in Deutschland zugelassen. Bis 20230 sollen es 15 Millionen Fahrzeuge sein.

Bei dem Projekt der E-Mobilität kommen neben der traditionellen Rolle als Stromlieferant weitere wichtige Marktrollen auf die Stadtwerke zu. Dies kann die Rolle des Ladepunktnutzers/Kunden, die Rolle des Ladepunktbetreibers, die Rolle eines E-Mobilitätsdienstleisters sowie die mögliche Rolle eines Roaming Plattform Anbieters für die Abrechnung unterschiedlicher Stromlieferanten und Ladepunktbetreiber sein. Die Stadtwerke Flensburg werden weitere öffentliche Ladepunkte errichten.

Im Privatkundengeschäft (B2C) werden die Stadtwerke

– eine Ladekarte für das öffentliche Laden einführen

– Wallboxen für Wechselstrom (AC) liefern

– Treibhausgasquote (THG)-Quote mit Endkunden abrechnen und erstatten sowie

– die Installation, Inbetriebnahmen und Wartungen von Anlagen durchführen.

Im Firmenkundengeschäft (B2B) werden die Stadtwerke

– Beratung und Konzepterstellung für E-Mobilität anbieten,

– Ladestationen für Wechsel- und Gleichstrom (AC & DC) liefern,

– Abrechnung und (EMP) Mobilitätsdienstleistungen anbieten,

– Treibhausgasquote (THG)-Quote mit Endkunden abrechnen und erstatten sowie

– die Installation, Inbetriebnahmen und Wartungen von Anlagen durchführen.

Die Ladekarte der Stadtwerke Flensburg GmbH ist zunächst für eigene Ladestationen vorgesehen. Der Preis pro  kWh ist immer angelehnt am Strompreis (z.B. AP Grundpreis) der Stadtwerke. Zukünftig soll die Nutzung der Ladekarte der Stadtwerke Flensburg auch im Roamingverfahren bei Ladestationen anderer Betreiber möglich sein.

Im Bereich des Firmenkundengeschäftes steht die Beratung von anderen Kommunen und Unternehmen mit größeren Fuhrparks im Vordergrund. Herr Wielgosch zeigt typische Wallboxen, die für Privatkunden und Firmenkunden von den Stadtwerken angeboten werden.

Die Roadmap für die E-Mobilität zeigt, dass die Stadtwerke Flensburg GmbH auf einem guten Weg sind, E-Mobilität für viele Nutzer so einfach wie möglich zugänglich zu machen.

Vortrag Frank Feustel, Leiter Vertrieb Stadtwerke Flensburg GmbH, Teil 1 „PV-Zubau in Flensburg – Infos und Inspirationen aus Sicht eines Netzbetreibers“ und Kilian Wielgosch, Mitarbeiter Vertrieb Stadtwerke Flensburg GmbH, Teil 2 „E-Mobilität der Stadtwerke Flensburg“