MODERNE ZEITEN IN FLENSBURG:Dienstwagen: Simone Lange testet das Wasserstoffauto
vom 26. Januar 2017
Aus der Redaktion des Flensburger Tageblatts
Die Oberbürgermeisterin hat gestern ihren Testwagen mit Brennstoffzelle übernommen.
FLENSBURG | Ein Elektroauto als Dienstwagen? Fährt seit fast drei Jahren bereits Flensburgs Stadtpräsidentin Swetlana Krätzschmar. Aber ein Politiker, der ein Wasserstoffauto mit Brennstoffzelle fährt? Ist nicht einmal Bürgerwindpark-Betreiber Reinhard Christiansen bekannt. Und der Windlobbyist sollte das eigentlich wissen: „Das Grundproblem ist, dass es noch keine Wasserstofftankstellen gibt“, sagt der Landeschef des Bundesverbandes Windenergie. Dabei hat das Wasserstoffauto zwei grundsätzliche Vorteile. Mit weit über 500 Kilometern habe diese Technik deutlich mehr Reichweite als Elektroautos – und sei problemlos innerhalb von drei Minuten aufzutanken, berichtet Christiansen. Zusammen mit seinem Handewitter Projektleiter Marko Bartelsen brachte er gestern einen Hyundai ix35 nach Flensburg – zunächst auf einem Trailer bis zur Exe.
Gegen 11 Uhr durfte Oberbürgermeisterin Simone Lange den silbernen Testwagen auf dem Rathausparkplatz übernehmen. „Fuel Cell“ für Brennstoffzelle steht auf der Fahrertür. Bis Montag darf Flensburgs neue Rathauschefin nun den Wagen testen, der bei der Fahrt nicht nur kaum Geräusche macht, sondern auch praktisch keine Emissionen hinterlässt. „Man hört gar nichts“, fand Lange schon beim Ausparken des Wasserstoffautos. Erste Einschätzung: Es fahre sich ganz einfach wie ein Automatik-Pkw – mit dem Unterschied: „Es ist ein völlig neues Fahrgefühl – auch weil der Wasserdampf, der hinten rauskommt, das Gewissen ungemein beruhigt.“
Das ungewöhnliche Probefahrzeug ist auch ein Statement für die Region: Windstrom vor allem von der Westküste und der Geest für Millionen und Abermillionen Euro findet jedes Jahr den Weg in die Netze nicht. Jeden Tag verschenke Schleswig-Holstein Strom für 20 000 Euro an der Westküste, haben Vertreter des Flensburger Vereins Erneuerbare Energien und Speicher (EES) vorgerechnet – Energie, die über die Technik eines Elektrolyseurs (siehe Kasten unten) zu tankbarem Wasserstoff und damit zu einem Standortvorteil für Schleswig-Holsteins Norden mit seiner regen Windparkszene werden könnte.
Auch Bürgermeister und Klimapakt-Vorsitzender Henning Brüggemann fand gestern Gefallen an dem Probedienstwagen: „Die Wasserstoff-Technologie besitzt ein enormes Zukunftspotenzial und wird damit auch zunehmend ein Thema für den Klimapakt Flensburg werden“. Die Bürgerwindparkbetreiber sehen die neue Oberbürgermeisterin, die EES seit Jahren unterstützt, jedenfalls als ihre Galionsfigur.
Wenn es bloß eine Tankstelle in Schleswig-Holstein gäbe. Bislang ist die nächstgelegene Tankmöglichkeit am Hamburger Hafen – dort wird Simone Lange am Sonnabend womöglich auf dem Rückweg vom Lübecker SPD-Parteitag einkehren müssen.
In gut einem Jahr soll das bereits anders sein. Mit seiner Firma „Energie des Nordens“ will Reinhard Christiansen, Initiator der Testfahrtage, dann in Handewitt die erste Wasserstofftankstelle eröffnen – rund zehn Kilometer von Flensburg entfernt in Haurup, ganz in der Nähe der großen Nord-Süd-Gasleitung, in die der Elektrolyseur einspeisen möchte, was nicht als Wasserstoff vor Ort getankt wird.
Simone Lange will zunächst Bilanz ihrer fünftägigen Probefahrt ziehen – hofft aber schon langfristig auf eine eigene Tankstelle in Flensburg. Einen Wasserstoffdienstwagen kann sie sich prinzipiell vorstellen: „Das würde gut zum Ende 2017 auslaufenden Leasingvertrag des jetzigen Dienstwagens passen“, findet sie. Ob die Probefahrt erfolgreich war, kann sich schon am Sonntag zeigen. Dann wird Lange nach dem Lübeck-Trip beim Neujahrsempfang im Deutschen Haus erwartet.
Autor: Carlo Jolly